4.8.2005
Rächtschraiprephorm

Nun ist es also soweit. 103 Jahre lang haben die Deutschen und ihre Sprachverwandten mehr oder weniger gewusst, wie sie zu schreiben haben. Und wenn man es nicht genau wusste, konnte man nachschlagen. Oder es war, wie in den letzten sieben Jahren, sowieso egal. Da durfte ja jeder, wie er wollte. Und jetzt?
Stichtag 1. August 2005. Ich bin endlich staatlich anerkannter Erzieher (Applaus). Bis auf Hausaufgabenkontrolle, bzw. -hilfe brauch ich das ja eigentlich nicht mehr, aber trotzdem. Keiner kann einem heute noch einfach sagen, wie was zu schreiben ist. Erst mal muss geklärt werden, wo man sich denn gerade aufhält. So schwachsinnig ich das finde, dass hier über Jahrzehnte hart ausgekämpfte Einigungen über Rechtschreibregeln einfach mal eben gekippt werden, weil sie ein paar Köpfen, die gerade oben sind, nicht gefallen, es hat auch sein Gutes. Ich darf hier in NRW z.B. noch Delphin schreiben. Dieses Tier hat die Reduzierung auf ein "f" einfach nicht verdient. Und ich darf jemanden wieder sehen, wenn ich mal die Augen verbunden hatte. in Hessen z.B. darf ich den dann nur wiedersehen (aber das wird ja wohl noch geändert) Allerdings werde ich das auch weiterhin tun, auch wenn das irgendwann mal falsch wird. Wird ja nicht mehr benotet und mehr als ein paar besserwisserische Bemerkungen im Gästebuch muss ich vermutlich nicht befürchten.
Vielleicht kommt da ja auch mal ein Prozess in Gang, der dazu führt, dass bei uns nicht mehr alles und jedes geregelt werden muss (glaube ich aber angesichts der EU nicht dran), oder zumindest, dass man ein bisschen lockerer damit umgeht - wo es möglich ist.
Ich gebe zu, mir persönlich ist richtige Orthographie (schreibt man die jetzt noch so? Auch außerhalb von NRW und Bayern?) schon irgendwie wichtig. Aber der symbolische Wert dieser Entwicklung sollte nicht so leicht übersehen werden. Immerhin basiert der Duden ursprünglich auf der "preußischen Rechtschreibung". Mal wieder der Preuße also. Der Todfeind des Bayern schlechthin. Und auch des Rheinländers (die ethnische Minderheit der Westfalen nehmen wir für NRW einfach mal mit), der sich gegen die preußische Herrschaft immer gewehrt hat, wenn auch sehr viel subtiler als der eher grobschlächtige Bayer. Letztlich ist der Preuße doch der gemeinsame Feind, auch wenn das so niemand hören will. Und gegen den haben sich jetzt unsere Landesoberen durchgesetzt. Ein kleiner, unbedeutend scheinender Seitenheib, aber doch mit großer symbolischer Bedeutung. Was zählen dagegen schon Gemeinsamkeiten oder wirtschaftliche Faktoren, wie z.B. immer neue Schulbücher, jetzt sogar in zweifacher Ausgabe. Es lebe die symbolische Geste! Wir könnens uns ja leisten!